Nostalgische Anreise: Von Kiew nach Lwiw
Nach einigen Tagen in der ukrainischen Hauptstadt flogen wir von Kiew weiter nach Lwiw in der Westukraine. Allein der kurze Flug war bereits ein Spektakel. Wir flogen nämlich mit dem sowjetischen Kurzstrecken-Passagierflugzeug Antonow An-24. Der Typ wurde in den 1960er und 70er Jahren gebaut und sieht auch so aus… winzig klein, mit bräunlich vergilbten Vorhängen und offenen Handgepäcksfächern. Die Propeller der Maschine verursachen ein ziemlich nerviges Geräusch und es brummt und vibriert ordentlich während des gesamten Flugs. Für Liebhaber antiker, nostalgischer Flugzeuge ein Traum, für den Normalpassagier wenig vertrauenserweckend. Ebenso lustig wie der Flug dann die Ankunft am alten Flughafengebäude von Lwiw aus den 1920ern. Ein kleines Gepäckauto fährt den Passagieren die Koffer einfach schnell hinterher und stellt sie vor dem Gebäude ab. Dort darf dann jeder seins suchen, bevor man das kleine Haus in etwa 5 Sekunden durchschritten hat. Wir bestellten uns hier schließlich bequem ein Uber, das uns direkt in die Stadt brachte.
Lwiw oder Lemberg?
Lwiw wird zu deutsch auch Lemberg genannt. Dieser Name taucht bereits in Urkunden aus dem 14. Jahrhundert auf. Die beschauliche Stadt ist architektonisch stark durch die Zeit geprägt, als es zur Habsburgermonarchie gehörte (1772–1918). Hier finden sich nicht nur an allen Ecken barocke, katholische Kirchen, sondern auch unzählige Kaffeehäuser, in denen man neben schokoladigen Köstlichkeiten auch Süßspeisen wie Strudel bekommt. Lwiw wurde schon oft als Drehort-Ersatz für Venedig oder Rom auserkoren und warum das Sinn macht, wird einem nach einem Stadtspaziergang auch sehr schnell klar. Aufgrund seiner einmalig geschlossenen Bebauung der Renaissance, des Barocks, des Klassizismus, Historismus, Jugendstils und Art déco wurde die Altstadt von Lemberg 1998 schließlich auch in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Die besten Ausblicke über die Stadt
Der Hohe Schlossberg
Einen der besten Ausblicke über die Stadt hat man vom Hohen Schlossberg aus. Der mit seinen 413 Metern eigentlich nicht wirklich hohe Hausberg Lembergs kann wunderbar zu Fuß erklommen werden. Früher stand dort oben die Burg des Fürsten Danylo, von der heute leider nur noch Mauerreste übrig sind. Heute wird auf dem Hügel im Sommer oft laut gefeiert. Als wir hinaufstiegen, fand am “Gipfel” eine kleine Techno-Party statt. Meiner Meinung nach ziemlich störend, aber die Geschmäcker gehen da wohl auseinander…
Der Turm des Rathauses
Die schnellere Variante an eine grandiose Aussicht zu kommen ist der Besuch des Lemberger Rathausturms. Für nur etwa 50 Cent kann man ein Ticket erwerben und darf anschließend die etwa 400 Stunden hinauf zur Aussichtsplattform bewältigen. Besonders in den heißen Sommermonaten ganz schön anstrengend. Aber es lohnt sich! So bekommt man aus dieser Perspektive doch gleich ein viel besseres Bild über den Aufbau der Stadt. Beeindruckend ist von hier oben vor allem wie viele Kirchtürme sich über die Stadt verteilen. Neben den pittoresken Gebäuden sind von oben auch die vielen weniger ansprechenden Häuserblöcke aus der Sowjetzeit zu erspähen, die sich außerhalb der Altstadt aneinander reihen. Ein interessanter Kontrast.
Der Lytschakiwski-Friedhof
Hochspannend ist neben den üblichen Sehenswürdigkeiten der Stadt auch der Lytschakiwski-Friedhof aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Dieser wurde ursprünglich für die Mittel- und Oberschicht außerhalb der Stadtgrenzen angelegt. Mitte des 19. Jahrhunderts erweiterte man ihn stark, sodass er schließlich nebem dem jüdischen Friedhof zum Hauptfriedhof Lembergs wurde, den alle christlichen Konfessionen nutzten. Bis zum zweiten Weltkrieg kamen immer mehr Gedenkstätten hinzu – bis die Stadt von den Sowjets annektiert wurde. Sie ließen den Friedhof verfallen, zerstörten vieles und nutzten Teile später sogar als Müllhalde. Erst 1975 wurde der Friedhof zum historischen Denkmal erklärt und kontinuiertlich saniert. Heute kann man über den verwunschenen Friedhof wandern und sich die ausgefallen gestalteten Grabsteine ansehen. Viele der alten Gräber sind noch mit deutschen Inschriften versehen.
Kulinarisches in Lwiw
Lwiw hat kulinarisch jede Menge zu bieten. Neben vielen, vielen netten Restaurants gibt es auch zahlreiche, im Sommer sehr beliebte Biergärten in großen Innenhöfen der Altstadt. Einer davon gehört zum Restaurant Trout, Bread and Wine, wo es – wie der Name schon sagt – hauptsächlich Variationen der Forelle und Brot mit unzähligen Aufstrichen gibt. Dazu feinstes Bier, für das die Stadt auch bekannt ist. Ziemlich beliebt ist auch das Arsenal Ribs And Spirits. Das Lokal hat im Sommer viele Tische im Burggraben, verzichtet komplett auf Besteck und ist auf Spare Ribs spezialisiert. Reservieren kann man nicht – vor dem Einlass ist eine große Tafel angebracht, auf der alle Interessenten aufgelistet werden und man der Reihe nach auf einen Platz warten muss. Uns persönlich war die Schlange zu lange.
Nach dem Abendessen sind wir immer noch auf ein spätabendliches Bier zum The Pravda Beer Theatre direkt neben dem Rathaus spaziert. Das Szenelokal bietet jede Menge verschiedenster selbstgebrauter Biersorten. Besonders die ausgefallenen Craftbiere sind einen Versuch wert. Ein Gericht, das die Welt nicht wirklich braucht, probierten wir im Post Office on Drukarska Street. In dem kleinen Restaurant in einer ruhigen Seitengasse gibt es neben mediterranen Gerichten auch seine berühmten “Schokonudeln”…
Unser Fazit: Lwiw ist aus vielerlei Hinsicht unbedingt einen Besuch wert. Man sollte sich jedoch beeilen. Denn schön langsam werden die Touristenmassen auf das Örtchen aufmerksam. Dann ist es mit der Gemütlichkeit dahin, die man derzeit in vielen tollen osteuropäischen Städten noch erleben kann.
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