Für einen kleinen Wochenendausflug wollten wir eigentlich nach Danzig. Dann gab es unsre auserkorenen Schnäppchen-Flüge plötzlich nicht mehr und wir suchten nach einem neuen Ziel. Da ich schon immer die ehemals große polnische Textil-Industriestadt Łódź (Lodsch) sehen wollte, die jeder nur aus dem Lied mit Theeeeeeo “kennt”, passte das ganz gut. Nach einem so gut wie leeren Flug nahmen wir gleich unseren schönen Mietwagen in Besitz. Das Auto war die ideale Wahl, denn sonst wäre man in der doch relativ weitläufigen Kleinstadt bei Weitem nicht so viel herum gekommen wie wir letztlich.
Hoteltipp: Das Double Tree by Hilton in Łódź
Die Nacht verbrachten wir im Double Tree by Hilton Hotel, wo man uns bereits mit dem für die Kette typischen, warmen Cookie begrüßte. Außerdem gabs als Hilton HHonors Gold noch eine Obstschale, Wasser und Frühstück inklusive.
Die Überreste der großen Textilgeschichte der polnischen Stadt
Als erstes sahen wir uns das Zentrale Textilmuseum in der Weißen Fabrik an. Die Manufaktur war in den 1830er Jahren von dem deutschen Baumwollfabrikanten Ludwig Geyer erbaut worden und war die erste mechanisch betriebene Baumwollspinnerei und -weberei, die von der ersten Dampfmaschine der Stadt betrieben wurde. Heute gibt es neben den historischen Maschinenräumen und einer Stoff- und Modesammlung auch moderne Textilkunst im Rahmen der internationalen Textil-Triennale zu sehen. Leider kann das Personal so gut wie kein Wort Englisch und auch die Beschriftungen lassen zu wünschen übrig.
Die Manufaktura: Shopping & Entertainment in einer alten Textilfabrik
Der größte Einkaufs- und Unterhaltungskomplex der Stadt und einer der größten Polens ist die Manufaktura. Hierbei handelt es sich wieder um eine ehemalige Baumwollfabrik, die dem polnisch-jüdischen Fabrikanten Izrael Poznański gehörte. Neben der Manufaktura kann man noch Poznańskis Palast, bezeichnet als “History of Lodz Museum”, besichtigen sowie sein gigantisches Familiengrabmal auf dem Neuen Jüdischen Friedhof.
Das Stadtzentrum: Die Einkaufsmeile Ulica Piotrkowska
Die Ulica Piotrkowska ist eine der größten Einkaufsstraßen Europas mit einer Länge von über 4km. Dort spielt sich Tag und Nacht das Leben der Stadt ab. Nachdem die Straße nach dem Zweiten Weltkrieg komplett verfallen war, renovierte man sie seit den 1990er Jahren wieder stückweise. Daher glänzen viele Fassaden der historischen Häuser dort wieder wie neu – bewegt man sich jedoch auch nur 10m in eine der Seiten- oder Parallelstraßen, sieht es noch ganz anders aus. Sehr viele verfallene, heruntergekommene Gebäude, brüchige Straßen und dubiose Viertel.
Erkundung des Lebens der Textilarbeiter: Spaziergang durch Ksiezy Mlyn
Für historisch Interessierte ist der Stadtteil Ksiezy Mlyn wirklich sehenswert. Hier hatte der Industrielle Karl Scheibler ab 1870 ein großes Textilwerk aufgebaut. Auf dem Gebiet kann man heute noch die Arbeiterwohnsiedlung samt dazugehöriger Schule und Feuerwache sehen. Außerdem steht der Palast des Fabrikanten dort – heute das Museum für Kinematographie. Spannend ist in Ksiezy Mlyn vor allem der Kontrast zwischen renovierten Backsteingebäuden und den komplett vernachlässigten Industrie-Ruinen.
Die dunkle Vergangenheit Łódźs: NS-Zeit Relikte in der Stadt
Das schändliche Kapitel der NS-Zeit wird einem bei einem Besuch in Lodz an vielen Stellen immer wieder ins Gedächtnis gerufen. Neben älteren, teilweise sehr imposanten Gräbern befinden sich auf dem Neuen Jüdischen Friedhof auch 43 000 Gräber jüdischer Opfer des Ghettos Litzmannstadt.
Das Ghetto Litzmannstadt, in dem zwischen 1939 und 1944 die jüdischen Bewohner der Stadt Lodz eingesperrt wurden, sollte lediglich als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager dienen. Von der heute noch existierenden Gedenkstätte Bahnhof Radegast wurden über 150 000 Juden in den Tod geschickt. Heute erinnert daran ein großes Holocaust Denkmal, der Tunnel der Deportierten und Grabsteine mit den Namen der Vernichtungslager.
Das kreative Łódź – Stadt der Street Art
Neben den spannenden und traurigen Orten der Vergangenheit von Lodz ist die Stadt auch in jüngster Zeit interessant. Der Kontrast aus Alt und Neu, Verfallen und Renoviert ergibt an vielen Stellen die besten Motive. Bekannt ist Lodz vor allem für seine witzige Street Art, die einem überall an großen Wänden und auf den Plätzen der Stadt begegnet. Neben tausenden riesigen Graffitis trifft man hier auch an allen Ecken auf Installationen und Skulpturen.
Kulinarische Experimente
Um das leibliche Wohl muss man sich in der Stadt keine Sorgen machen. Im Zentrum gibt es überall viele Restaurants, Cafés, Kneipen und Bars. Alles natürlich zu Wahnsinnspreisen und in komplett übertriebenen Mengen und Größen im Vergleich zu Deutschland. Wir ließen uns die berühmten gefüllten Pfannkuchen im beliebtesten Lokal der Stadt, dem Manekin, nicht entgehen und probierten sogar mutig kalten Borschtsch, eine für osteuropäische Länder typische Rote-Beete Suppe. Schmeckt wie gutes Salatdressing mit knackigen rote Beete Stückchen und Dill. Nicht schlecht, aber seltsam.
Anschließend ging es auch schon wieder zurück in die Heimat. Auch auf dem Rückflug war maximal ein Viertel der Maschine besetzt. Richtig schön entspannt.
2 Comments
…vielen Dank – sehr gute und angenehm zu lesende Reisereportage – mit guten Fotos gespickt!
Macht Appetit auf MEHR.
Vielen Dank! Das freut uns 🙂